Das trübe Winterwetter ist eigentlich wie gemacht dafür, sich dem Alltag mit Schreiben zu entziehen. Wenn sich das Grau nicht auch auf die Stimmung legen würde oder steckt am Ende etwas anderes dahinter??
Ich habe heute keine Lust zum Schreiben!
Aber ist das wirklich so? Ist ein Motivationstief daran schuld, dass ich heute nicht mit meiner Story weiterkomme? Oder gibt es andere Gründe?
Spaßeshalber habe ich das Thema Selbstmotivation einmal gegoogelt und folgende Stichworte dazu gefunden:
- Formuliere ein klares Ziel (hab ich)
- Stelle eine ToDo-Liste auf, am besten am Abend zuvor (zählt die von letzter Woche auch?)
- Warum ist es mir wichtig, etwas zu tun? (Niemand sonst aus meiner Familie könnte für mich weiterschreiben, oder sollte …)
- Ich werde \“jetzt\“ dieses oder jenes tun (Geschirrspüler ausräumen? Wäsche aufhängen? Wirklich Schreiben?!)
- Ich habe Spaß an meiner Aufgabe (fast immer!)
- Arbeite an deiner Gedankenhygiene (was für eine Wortkreation!!) und verbanne negative Gedankenansätze (Wer packt den Koffer für den inneren Kritiker und verbannt ihn nach Sibirien?)
- Erzähle anderen von deinem Vorhaben (Die gähnen schon und wollen lieber etwas lesen, als hören)
- Schreibe deine Erfolge auf (verdammt kurze Liste)
- Setze dir Zeitziele, auf neudeutsch: Deadlines (Jahre kommen und gehen )
- Belohne dich, wenn du dein Tagesziel erreicht hast (der Keksteller ist jetzt schon leer 😉)
Okay, ich habe gelacht. Ganz verloren scheint der Tag nicht zu sein.
Ich habe ein Ziel. Ich habe genug Zeit. Ich möchte schreiben, und ich bin super motiviert (geht vielleicht noch besser, aber reicht). Wenn Motivation als Grund ausscheidet, was ist dann schuld? Ist es das Damoklesschwert des Autors? Die Schreibblockade?
Eine bekannte Schreibtrainerin behauptet, diese Lücken oder Löcher im Schreibfluss entstehen, wenn ein Autor nicht weiter weiß. Der Elan der ersten Seiten lässt nach. Und da es keinen oder kaum einen Plot gibt oder Figuren planlos zusammengestrickt sind, funktioniert die Handlung auf einmal nicht mehr. Das Schreiben gerät ins Stocken.
Ich würde jetzt so gern sagen: Sie hat Unrecht. Ich kann mein Handwerk. Mir ist das noch nie passiert.
Ich würde lügen.
Kann ich nicht schreiben, weil ich auf dem (Story-) Holzweg bin?
Ich habe vom ersten Tag an intuitiv geschrieben und frühestens beim Schreiben geplottet. Das funktionierte nur bedingt und hat mir reichlich Umwege eingebracht (s.a. „Der frühe Tod des Bösewichts„).
Ein Stopp im Schreibfluss war für mich tatsächlich ein Anzeichen dafür, dass ich gerade in die falsche Richtung laufe und von dem schmalen Plotpfad in meinem Kopf abgewichen bin. Aber inzwischen verlasse ich mich nicht nur auf sporadische Meilensteine.
Ein Modell der Handlung? Warum nicht. Früher war das mein Albtraum. Heute sehe ich gerne klarer, bevor ich mich beim Schreiben komplett verirre.
Ich zeichne eine Plotkarte, nicht sehr detailliert, aber präzise genug, damit ich mich daran orientieren kann. Will ich ein neues Element in meine Story einbauen, plotte ich es zunächst.
Für mein aktuelles Storyprojekt ist dabei z.B. Ralf, der Runenleser, entstanden. Ich war so begeistert von ihm, dass ich ihn in einer Szene (Aufgabe: triff eine deiner Figuren im Supermarkt) meiner Schreibgruppe vorgestellt habe.
Anschließend habe ich meinen Mit-Autorinnen von Ralf vorgeschwärmt. Obwohl er weder gutaussehend, noch witzig ist. Ralf ist ein absoluter Nerd, braver Familienvater, führt einen Esoterik-Laden in Berlin.
An der Wand in seinem Geschäft sind Runen angebracht. Für die meisten ist es nur Deko, aber sie reagieren, wenn ein „magischer“ Besucher in seinem Laden auftaucht.
Manche der Besucher kennt er. Sie suchen ihn regelmäßig auf, weil er ihnen dank seiner Runenbücher bei ihrem magischen Weg helfen kann. Einige Besucher könnten allerdings zur Gefahr werden, weil ihm seine Runen mehr verraten, als nur individuelle Schicksale.
Bis eines Tages die Heldin meines Romans seinen Laden betritt und alle Runen aufleuchten …
Ich habe Ralfs traurige Kindheit erfunden. Außerdem eine Tasche, die Runenbücher bewahren kann, auch wenn sie jemand aus seiner Familie verbrannt hat und noch einige andere Details.
Auf meiner Plot-Landkarte leuchtete ein komplett neuer Weg auf. Ein starker Weg, der sich schnell neu verzweigt hat. Und genau das war das Problem.
Ralf ist eine neue Story, zu präsent, um meine Heldin zu unterstützen. Er würde an ihrer Seite kämpfen wollen oder zumindest einen großen Einfluss auf ihren Werdegang nehmen. Dafür ist in der Geschichte allerdings nicht mehr genug Platz, deren Grundgerüst und Hauptfiguren bereits feststehen.
Und nein. Ich bin nicht auf dem Holzweg. Manchmal lasse ich mich gern zu kreativen Ausrutschern und interessanten Figuren hinreißen, aber ich werde täglich besser darin, das große Ganze zu sehen.
Ralf in der Story unterzubringen wäre vergleichbar mit dem Versuch, ein Achteck durch die Öffnung eines Dreiecks zu pressen. Denn ich weiß genau, an welcher Stelle der Story ich gerade stecke und freue mich darauf, weiterzuschreiben.
Wenn es also auch kein „Planungstief“ oder gar eine Schreibblockade ist, sondern ich mich ganz im Gegenteil, gerne auf das neue Schreibprojekt stürzen würde, was hält mich dann davon ab?
Schreiben vertagen?
Bleibt noch ein dritte Möglichkeit für den Schreib-Unmut: Prokrastination.
Während meiner Ausbildung hatte ich eine knallharte Lehrerin, die sofort gesehen hat, wenn ich „aufräumte“, statt „zu arbeiten“. Ihr vorwurfsvolles „was machst du da?!“ klingt noch heute in meinen Ohren.
Wenn sie mich beim Prokrastinieren erwischte, bekam ich als Dankeschön einen doppelten Stapel Arbeit und sie überwachte mit Argusaugen meine Erfolgsbilanz.
Bei ihr habe ich auf die harte Tour lernen dürfen, dass es Arbeiten gibt, die ich besser auf unbeobachtete Momente verschiebe 😉 Aber auch, dass sich Arbeit in den seltensten Fällen dadurch erledigt, dass man ihr aus dem Weg geht.
Aus meiner Sicht gibt es allerdings zwei Arten von Prokrastination. Die eine ist relativ harmlos, denn dahinter verbirgt sich lediglich die Unlust, etwas zu tun.
Die zweite ist schon schwieriger zu überwinden, denn hinter der Prokrastination können sich unausgefochtene innere Konflikte verbergen. Warum will ich etwas nicht tun? Wovor habe ich Angst? Was könnte im schlimmsten Fall passieren, wenn ich diese Arbeit fortsetze?
Immer wieder bin nicht nur an Barrieren in meinem Schreibprojekten sondern auch an denen in meinem Kopf gescheitert. Bin ich gut genug? Will jemand „soetwas“ überhaupt lesen?
Grübeln passt zu einem trüben Wintertag. Aber ich habe inzwischen die meisten der (Schreib-) Barrieren abgebaut und an die Straße gestellt. Sie warten darauf, dass der orange Servicewagen von der Stadt sie abholt und einmottet. Andere dürfen sie meinetwegen benutzten, ich möchte sie hier nicht mehr sehen 😉
Schreiben ist Arbeit
Nachdem mangelnde Motivation, fehlender Plot etc. als Ursache für den Schreibstopp ausgeschlossen werden können, bleibt nur noch eins: die Lust am Schreiben ist weg.
Irgendwo auf dem Weg von der Ich-Insel zum heutigen Tag ist sie verloren gegangen. Kein Happy End. Der Weg endet hier.
Hab ich mir den Spaß genommen, weil ich Runen-Ralf geplottet habe? Hätte ich doch lieber an dem Achteck seiner Figur feilen sollen, damit sie auf 3 Ecken reduziert in die Story passt, weil es ja doch vielleicht funktionieren könnte?
Tatsächlich blitzte kurz die Frage auf, ob mir das Schreiben noch so viel Spaß macht wie früher und ob ich bereit bin, einen Großteil meiner Freizeit dafür zu opfern.
Die Antwort kam prompt. Und ich verrate sie nach einem kleinen Umweg.
Wenn ich jemandem von meinem gelernten Beruf erzähle, dann gehört dazu eine Vielzahl von Tätigkeiten und Fähigkeiten. Wenn ich alles aufzähle, was ich in meinem Berufsleben gelernt habe, füllt das einige Seiten.
Was habe ich in dieser Zeit über das Schreiben gelernt? Nichts bzw. nicht viel. Ich habe meine Methode gefunden, ob sie nun gut ist oder nicht. Ich habe mich durch zahlreiche Schreibprojekte gearbeitet, aber gelernt habe ich eigentlich nur, dass Schreiben ein langwieriger Prozeß ist.
Seit dem Aufbruch von meiner Ich-Insel lese ich regelmäßig Ratgeber, analysiere meine Lieblingsbücher, habe ein paar Schreibkurse absolviert, plotte immer öfter vorab, führe ein Schreibtagebuch und blogge gelegentlich. Ich lerne mehr über die Art zu Schreiben, Charaktere und Handlungen zu entwickeln, probiere verschiedene Methoden aus.
Alles beisammen, was ich im Moment für meinen Schreiballtag brauche: Ratgeber, Ausdruck von den Kapiteln, die ich aktuell überarbeite, meine Notizbücher (für jedes Schreibprojekt eines) und natürlich Schreibgeräte und eine Notfallbrille.
Schreiben ist wie vorher auch schon ein Teil meines Alltags, aber mit einer ganz anderen Routine. Statt einer Aufgabe (schreib weiter und weiter, egal wie es läuft), teilt es sich auf einmal in verschiedene Teilbereiche auf wie z.B. Plotten, Charaktere entwickeln, Szenen überarbeiten, Social Media.
Meine Schreib-Arbeit ist inzwischen ähnlich abwechslungsreich wie mein Brotjob. Das bedeutet aber auch, dass ich immer besser einordnen kann, an welchem Punkt meiner Schreibreise ich gerade bin, welche Punkte noch vor mir liegen, woran ich arbeiten muss, um an mein Ziel zu kommen.
Das Ende vom Lied
Mein Ehemann musste das verspätete Mittagessen kochen. Inzwischen ist es dunkel und es hat aufgehört zu regnen. Ich habe nichts davon mitbekommen, das Knurren meines Magens ignoriert.
Ich bin erleichtert, weil ich die für mich wichtigste Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten konnte. Ich habe die Lust am Schreiben nicht verloren. Ganz im Gegenteil, es ist für mich so selbstverständlich geworden wie mein Brotjob, nur dass ich manchmal einen Anstupser brauche.
Doch wenn der Funke erst einmal da ist, dann blinkt der Cursor nicht lange, sondern wandert Zeile für Zeile über den Bildschirm.
Hallo Ella (oder Britta?), deine Blogseite gefällt mir unheimlich gut. Ich habe gerade auch über eure Federreiter-Seite eine Kontaktanfrage gesendet, weil ich mich gerne mit dir/euch über das Schreiben allein und in der Gruppe austauschen würde. Vielleicht hast du ja auch daran Interesse. Dann würde ich mir echt freuen, von dir zu lesen.
Meine Autorengruppe heißt SiebenSchreiber (www.siebenschreiber.de)
Bis hoffentlich bald
LG
Renate
Wer liest schon ein Impressum?! 😉 Hier bin ich Ella und konzentriere mich voll und ganz auf meine Reise. Tatsächlich bin ich ein gutes Stück weitergekommen, daher war es auch so still (ist also immer ein gutes Zeichen).
Danke für dein Lob und natürlich auch deine Anfrage, eine Email ist gleich auf den Weg gegangen. Ihr habt eine sehr informative Seite! Vor allem haben mich eure Bücher beeindruckt. Viel Erfolg weiterhin – wir hören uns auf jeden Fall.
Viele Grüße Ella