Orangen aus dem Supermarkt sind nur das halbe Leben

Orangen aus dem Supermarkt sind nur das halbe Leben

Ich möchte gar nicht ausrechnen, wie viele Jahre meines Lebens ich bereits verschrieben oder damit zugebracht habe, über Handlungen, Charaktere etc. nachzudenken. Unabhängig davon, wie viele Jahre am Ende dabei herauskommen – sie waren und sind es wert!

Warum schreibe ich?

Das ist sicherlich eine DER Fragen, die sich die meisten Autoren stellen. Ich denke, dass es darauf kaum eine einheitliche Antwort gibt, zu sehr hängt das vom eigenen Lebensweg ab. Manche finden erst spät zum Schreiben, andere schreiben gelegentlich und sind damit vollauf zufrieden, andere haben es zu ihrem Beruf gemacht.

Ich schreibe, um mich möglichst weit von meinem Alltag zu entfernen. Um Situationen zu erleben, in die ich privat ungern tappen würde, andererseits aber auch, um mir selbst nahe zu sein. Klingt widersprüchlich, oder? Indem ich meine Helden extremen Situationen aussetze, ergründe, warum sie so und nicht anders reagieren, muss ich mich gleichzeitig mit mir selbst auseinandersetzen. Wie würde ich reagieren? Wäre ich so mutig? Warum wäre ich nicht so?

Beim Schreiben lernt man viel über sich. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum es oft als eine Therapiemöglichkeit angeboten wird. Es gelingt einem selten, wirklich alle Verbindungen zum Alltag und den eigenen Problemen zu lösen – auf die eine oder andere Art werden sie in den Texten verarbeitet.

Schreiben ist persönlich

Es gibt in meinem aktuellen Schreibprojekt eine Szene, in der die Protagonisten an einem Abgrund stehen und zum ersten Mal das Ausmaß der Katastrophe erkennen. Sie ahnen, dass sie trotz vereinten Kräften durchaus verlieren könnten, weil ihr Gegner übermächtig ist. Sie sind im gewissen Sinne auf Gnade aber auch Glück und Hoffnung angewiesen, um zu überleben.

Für mich ist dieses eines der bewegendsten Bilder, nicht nur, weil ich die Landschaft, das Inferno, die Hitze, die Gewalt und den Tod, der sich dahinter verbirgt, vor Augen habe, sondern weil es mich an einen Punkt in meinem Leben erinnert, an dem ich mich bewusst entscheiden musste, wie es weitergehen soll. Alles war so verfahren, dass ich innehalten, meine Situation betrachten und neu durchstarten musste.

Nicht alle Berührungspunkte von Fiktion und Realität sind so gewaltig und persönlich. Ganz oft schleichen sich auch Kleinigkeiten ein. Ich liebe z.B. Häuser und Einrichtung, weil sie so viel über die jeweilige Person aussagen, dass ich dieses Element auch in meinen Geschichten nutze, um mir selbst als Autor den Hauptcharakter näher zu bringen. Selbst wenn ich diese Beschreibung – zur Erleichterung meiner Leser 😉 auslasse, könnt ihr sicher sein: ich weiß, wie sie wohnen!

Meine Motivation - Ideen vom Himmel pflücken!

Ich gestehe, darüber habe ich schon oft und lange nachgedacht. Zu gern würde ich die Motivation zum Schreiben auf andere Dinge übertragen. Es gibt natürlich auch Zeiten, in denen ich mich gerne ablenken lasse und mich frage, wie wichtig es mir ist. Spätestens nach ein paar Wochen ohne Schreiben merke ich allerdings, dass ich ohne nicht sein kann! Auf die eine oder andere Art wird Schreiben immer Teil meines Lebens sein. Ich brauche das einfach, um die Schnelligkeit meiner Gedanken einzufangen, die Ideen vom Himmel zu pflücken und in sinnvolle Pakete zu packen.

Schreiben erdet mich , holt mich aus Tagträumen zurück und macht daraus fiktive Realität. Aus Luftschlössern werden Einfamilienhäuser, aus Drachen werden Autos mit bösartigen kleinen Gadgets. Oft ärgere ich mich darüber, dass meine Finger auf der Tastatur nicht einmal ansatzweise der Geschwindigkeit meiner Gedanken folgen können, aber das ist wahrscheinlich auch gut so. Alles andere wäre unlesbar!

Das Experiment Ich-Insel

Ich wünschte, ich wäre es, aber ich bin kein spontaner Mensch. Wenn ich euch also eingeladen habe, mich auf meiner Reise von der Ich-Insel in die neue Welt zu begleiten, dann nur, weil ich bereits abgelegt habe. Nicht, dass ich schon irgendwo angekommen wäre – Wasser soweit das Auge reicht -, aber den entscheidenden Schritt musste ich für mich allein wagen. Es hätte ja durchaus sein können, dass das Land entschwindet, ich ins Wasser springe und zurückschwimme.

In gewisser Weise wünsche ich mir meine vertraute Insel zurück, aber das ist vergleichbar mit Orangen aus dem Supermarkt. Ihr schneidet sie auf, esst ein paar Stücke oder presst sie aus und trinkt den Saft. Ihr schmeckt die Orange, den Nachhall dessen wofür sie steht.

Was für ein Erlebnis wäre es, wenn ihr nur die Hand ausstrecken müsstet, um sie vom Baum zu pflücken. Ihr spürt die Wärme des Tages, euch umgibt der Geruch der Wiese, auf der der Baum steht, die Sonne brennt auf eurer Haut, die Orange duftet und entfaltet ihre gesamte Geruchspalette, sobald ihr sie in der Hand haltet. Ihr würdet am liebsten durch die dicke – ungespritzte – Schale hineinbeißen, um den Sommer, das Lebensgefühl sofort zu genießen.

Ab und zu kaufe ich mir durchaus mal Orangen aus dem Supermarkt, aber es ist ein ganz anderes Erlebnis durch einen Orangenhain zu laufen. Allerdings erkennt man auch schnell: das Leben ist nicht perfekt. Es gibt faule Früchte, überreife Früchte, Fallobst und dazwischden natürlich auch worauf man es eigentlich abgesehen hat: ein paar perfekte Früchte!

Auf meine Ich-Insel übertragen heißt das: Durchschnitts-Orange. Gleichbleibende Qualität, keine Überraschungen, genormter Geschmack.

Wenn ich also mit allen Sinnen genießen will, bedeutet das, nicht nur meine kleine Ich-Insel zu verlassen, sondern neben dem Genuss auch die Widrigkeiten in Kauf zu nehmen. Vielleicht wird meine Orange nicht so perfekt aussehen, wie die aus dem Supermarkt, aber ich kann sie in ihrer natürlichen Umgebung mit allen Sinnen genießen.

Also urteilt nicht zu hart, sonst paddel ich zurück 😉
 

Bildnachweis: Canva

Um Orangen zu genießen, verlasse dein Zuhause und begib dich auf die Reise

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