Eine Weile bin ich nun schon auf dem Meer unterwegs, seit ich von der Ich-Insel abgelegt habe. Es ist so wie mit allen neuen Dingen: am Anfang ist man noch unsicher, aber dann wird das Neue zur Gewohnheit und schließlich zum Alltag.
Ich habe mich an das Schaukeln der Wellen gewöhnt. Ab und zu taucht eine Insel am Horizont auf, doch meine Reise geht weiter. Ich habe sie noch nicht gefunden – die neue Insel, die neue Heimat. Ich genieße das Spiel der Wellen, den Zug der Wolken, den Wind.
Die Tage sind anders als auf meiner Insel. Sie sind anstrengender. Meine Reise ist ein Kampf mit den Elementen. Einige kleine und größere Stürme habe ich bereits überstanden. Meine Hände sind kräftiger geworden. Ich muss die Segel halten können, den Elementen trotzen.
An sonnigen Tagen beobachte ich das Wasser, die Vögel, die meine Fahrt begleiten. Aber diese Tage, an denen ich mit mir und der Natur im Einklang verbringe, sind selten. Meist ist das Wasser aufgewühlt. Das Smaragdgrün wird zu einem finsteren undurchdringlichen Graublau.
Bei meinem ersten Sturm auf dem offenen Meer hatte ich Angst. Ich konnte an nichts anderes denken als meine Insel. Ich wollte zurück. Die Tür meiner Behausung hinter mir zuschlagen, mich in einer Ecke verkriechen, den Kopf einziehen und abwarten. Aber auf dem Meer gibt es keinen sicheren Ort. Es gibt nur Gewinner und Verlierer.
Die Verlierer sind am nächsten Tag nicht mehr da. Als hätte es sie nie gegeben. Kaum einer wird sich an sie erinnern, höchstens fragen, wo sie geblieben sind. Die Gewinner haben eine Chance – bis zum nächsten Sturm. Sie können an ihrer Ausdauer arbeiten, beobachten, lernen.
Es gibt Tage an denen bringt es Spaß, dem neuen Ich zuzusehen. Segel setzen, Wasser schöpfen, Angeln – das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich zögere nicht mehr, das Messer in den Körper eines Meeresbewohners zu versenken. Ein entschlossener Schnitt und das Mittagessen ist gesichert.
Der salzige Geruch, das ungefiltere Licht, der unendliche Sternenhimmel sind die Begleiter auf meiner Reise. Auch wenn ich die Sicherheit vermisse, ich genieße die Freiheit, die Herausforderung. Der Mensch auf dem Boot ist ein anderer als auf der Insel.
Bisher hat das Meer nur mit mir gespielt, mir eine Chance gegeben. Es wartet ab, zu welcher Seite ich gehöre, aber der Tag unseres Kampfes wird kommen. Die Wolken werden sich verfinstern. Der Wind wird an meiner Kleidung zerren und in meinen Ohren heulen. Die Natur wird ihre ganze Kraft entfesseln, mich hin- und herwirbeln, bis ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.
Ein schwacher Moment und das Boot wird untergehen. Meine Reise wird zu Ende sein. Ein Verlierer mehr. Aber ich bin nicht selbstverliebt. Ich kenne die Gefahr und habe mich bewusst darauf eingelassen. Ich beobachtete das Meer so wie es mich beobachtet. Ich lerne, seine Vorzeichen zu deuten.
Wenn es sein muss, steuere ich eine der verstreuten Inseln an. Ich werde mich auf das kleinste Fleckchen Land kauern, um den Sturm zu überstehen. Ich werde den nagenden Wellen trotzen, mich nicht davontragen lassen.
Das Meer bestimmt mein Schicksal, aber ich habe ein Boot und den Willen, es zu überstehen, was immer kommen wird.