Ich bin glücklich. Schreiben ist für mich Teil des Alltags.
Auch wenn es in meinem Leben fest verankert ist, weiß ich diesen Freiraum zu schätzen. Er ist All-Tag auf Widerruf.
Ich habe es meinem Kind zu verdanken, dass Schreiben zu einer Routine geworden ist. Kaum ist sie in der Schule – und ich gehe nicht meinem Teilzeit-Brotjob nach – ziehe ich mich in mein Arbeitszimmer zurück. Auch unsere drei tierischen Mitbewohner kennen dieses Ritual.
Die Unterlagen sind noch nicht alle ausgebreitet, springt schon die erste Katze auf meine Notizen und möchte meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Aber sie kennen den Tonfall, wissen, wann es ernst wird. Wer von ihnen schlau ist, sucht sich einen Platz an meiner Seite und nimmt die Pfoten von der Tastatur, denn die gehört mir 😉
Mein Schreiballtag wird von zwei Projekten beherrscht: Hanna und Jules. Die meiste Zeit habe ich bisher mit Hanna verbracht, aber ich bin an einen Punkt gekommen, an dem ich einfach nicht weiterkomme. Mein Problem: der Plot. Er ist so komplex geworden, dass ich mich immer mehr verzettelt habe.
Da ich aufhören wollte, Szenen für den Mülleimer zu schreiben, habe ich nach einer neuen Story gesucht – etwas, an dem ich üben kann. Da kam Jules ins Spiel. Jules habe ich mir 2006 in einem Rutsch innerhalb weniger Monate vom Herzen geschrieben. Ohne Plot, einfach drauf los.
Danach habe ich Jules ausgedruckt, gebunden und in den Schrank gelegt. Auf dem Deckblatt steht „Roman mit Ende“. Das war damals sicherlich ein kleiner Seitenhieb auf Hanna, die sich bereits auf der Fantasie-Welt Ghanarr verirrt hatte und keinen Weg nach Haus fand.
Jules ließ mir allerdings keine Ruhe. Immer mal wieder zog ich den Wälzer aus dem Schrank, las darin. Anfang dieses Jahres beschloss ich, Jules eine neue Chance zu geben. Sie war mir einfach zu sehr ans Herz gewachsen, um sie aufzugeben.
Im Gegensatz zu meiner Fantasy-Teenager-Geschichte Hanna spielt Jules in der Gegenwart in Hamburg und dem fiktiven Hatsfield, Südengland. Jules lebt zwei Leben, eines als die deutsche Juliane – eine erfolgreiche Marketing-Strategin – und ein anderes als die englische Jules – Tochter eines Literatur-Professors.
Sie kann diese beiden Welten gut trennen, schlüpft nach Bedarf in die jeweilige Rolle, doch dann verstirbt ihr englischer Vater. Ihr „englisches“ Leben bröckelt, aber auch in ihrem deutschen Alltags muss sie schwere Rückschläge einstecken. Eine ungeplante Reise nach Hatsfield sorgt dafür, dass sich ihre beiden Leben berühren – mit weitreichenden Folgen.
Diese Geschichte hätte vielleicht auch in Hamburg und München spielen können und nicht in gefährlicher Nähe zur Rosamunde-Pilcher-Sperrzone, aber ich fand gerade diesen Kontrast zwischen „Alltag“ und „Heile Welt“ spannend. Außerdem bin ich früher selbst oft zwischen Hamburg und London gependelt und habe dort kurzzeitig (dafür heftig) mein Herz verloren, so dass Jules winzig kleine autobiografische Spuren trägt.
Mein fiktiver Ort Hatsfield liegt übrigens in der Nähe des Dartmoors. Leider eine Gegend, die ich persönlich noch nicht kenne – im Gegensatz zu Cornwall – da ich ein verschlafenes Dorf abseits der Touristenpfade brauchte.
Um Jules wiederzubeleben, habe ich sie mir als aktuelles Schreibprojekt für meine Schreibgruppe ausgesucht. In den 20 bis 30 Minuten Schreib-Einheiten schreibe ich die Geschichte komplett neu und fülle eine der Lücken, in dem ich Jules eine neue Hauptperson an die Seite gestellt habe: Oliver.
In der ursprünglichen Version spielte Jules zur Hälfte in Deutschland und wechselte erst später nach England. In der Neufassung beginnt Jules Reise mit der Zugfahrt nach Hatsfield. Sie ist kaum eingestiegen, als ein aufdringlicher Mitreisender ein Gespräch mit ihr beginnt.
Da ihr Reisebegleiter einen Tweed-Anzug trägt und das Eis mit einer Keksrolle bricht, läuft mein Jules Schreibprojekt daher unter dem Arbeitstitel „Tweed und Butterkeks“. Mal sehen, wohin die Reise geht.
Ich finde es jedenfalls spannend, in den Zug zu steigen und Jules noch einmal neu kennenzulernen. Damit Jules sich nicht völlig verrennt (so wie Hanna), hat sie eine Deadline mit auf den Weg bekommen: Dezember 2017.
Diese Deadline ist mir aber nicht nur wichtig, weil ein zügiger Zeitplan mich daran hindern soll, mich zu verzetteln. Mein Kind wird älter, die Rückkehr in den Vollzeit-Brotjob steht bevor. Nicht nur die Katzen werden sich mit neuen Routinen abfinden müssen.
Doch bis es soweit ist, genieße ich meine Schreibzeit und meinen All-Tag in vollen Zügen und möchte Jules und Hanna eine Chance geben.
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