Wenig Zeit gehört zu unserem Lifestyle. Dieser Mangel ist aber auch ein Kreativitäts-Killer. Was bleibt? Schreiben Autoren bald nur noch unter der Dusche?
Zu wenig Zeit zum Schreiben
Erst gestern beklagte sich eine befreundete Autorin, dass sie zu wenig Zeit zum Schreiben hat. Dabei sind so viele Geschichten in ihr. Beim Duschen kommen ihr die besten Ideen, aber sie hat leider kein wasserfestes Papier. Kaum abgetrocknet, fordern sie andere Aufgaben. Also muss es beim Schreiben unter der Dusche bleiben?
Das Rad der Zeit scheint sich tatsächlich immer schneller zu drehen. Unser Tag braucht mindestens 36 Stunden und auch ich spüre regelmäßig den Druck einer langen ToDo-Liste im Nacken. Dabei kann diese Liste quengeln wie sie will, der Tag hat 24 Stunden. Unverrückbar! Keine Verlängerung möglich.
Warum erledigen, wenn aufschieben auch funktioniert?
Das Problem mit der Zeit ist leider hausgemacht. Wir wollen zu viel, versuchen möglichst alles auf unserer Liste in einen einzigen Tag zu quetschen Zeit. Die Folge davon ist Prokrastination. Die deutsche Übersetzung dafür lautet Aufschieberistis, aber ich bleibe lieber bei der lateinischen Bezeichnung, weil es beherrschbarer klingt. Doch selbst wenn man eine abgehobene Bezeichnung dafür benutzt und es danach klingt, als gäbe es ein Medikament, das uns heilen kann – wir werden damit leben müssen – ein Leben lang.
Das bedeutet allerdings nicht, dass wir der Prokrastination ausgeliefert sind. Es gibt eine Möglichkeit, ihr etwas weniger Platz einzuräumen und sie nicht über uns herrschen zu lassen. Damit komme ich wieder zu der Dusche, dem wasserfesten Papier und diesem Post. Obwohl meine Liste für den heutigen Tag gut gefüllt ist, habe ich Zeit. Zeit zum Schreiben!
Verloren beim Rennen gegen die Zeit
An dem viel zu kurzen Tag hat sich nichts geändert, doch seit ich mich bewusst mit dem Thema Prokrastination beschäftigt habe, hat sich tatsächlich etwas verändert. Ich habe dem Chaos, den ich Alltag nenne, auf die Finger geschaut.
Ich war überrascht. Es ist bekannt, dass Multitasking zwar wunderbar im Kopf funktioniert, aber eben leider mehr in der eigenen Vorstellung, als in der Realität. Mir ging es nicht anders. Ich bin schlichtweg am Alltag gescheitert. Am Ende des Tages schien meine Liste eher länger als kürzer geworden zu sein – und! ich habe ebenfalls nur unter der Dusche schreiben können.
Die schlechte Nachricht: es gibt diese Ich-schiebe-weiter-auf-Tage immer noch! Die gute Nachricht lautet allerdings: es hat sich deutlich gebessert.
Unzufriedenheit ist Gift für die Seele
Um der Aufschieberitis zu begegnen, muss man sich erst einmal mit den Beweggründen befassen. Lange Zeit habe ich gar nicht geschrieben, da mir der Berg des Schreibens einfach zu groß war. Ich musste alte Texte sichten, mich wieder einlesen, weiter plotten und dann irgendwann auch mal wieder weiter schreiben. Wie soll das ist ein kleines Zeitfenster passen?!
Die entscheidende Frage ist allerdings: wie wichtig ist mir diese Aufgabe? Welche Priorität würde ich ihr einräumen, wenn ich könnte? Hoch? Genau! Mit anderen Worten, ich bin motiviert, möchte unbedingt schreiben, aber für diesen riesigen Berg habe ich keine passenden Stiefel. Das Resultat dieser Gleichung lautet: Unzufriedenheit!
Ich habe es jetzt am Beispiel Schreiben festgemacht, aber im Prinzip gilt das auch für andere Punkte auf eurer (inneren) ToDo-Liste. Ihr wollt es unbedingt, seid super motiviert, aber der Alltag lässt euch nicht genug Freiraum. Diese innere Spannung oder auch Unzufriedenheit fordert auf Dauer ihren Preis. Es ist ein schleichendes Gift.
Wie überliste ich meine ewig lange ToDo-Liste?
Die Lösung ist – wie so oft im Leben – ein Kompromiss. Statt eine Aufgabe, die euch am Herzen liegt, ständig vor euch herzuschieben und immer wieder zu vertagen, muss die Axt her. Die meisten Aufgaben lassen sich in Einzelaufgaben unterteilen. Räumt diesen Einzelaufgaben ca. 30 Minuten pro Tag ein und erledigt sie.
Allerdings werdet ihr jetzt zu recht sagen, das sind immer noch 30 Minuten plus auf meiner Liste. Was geschieht mit den anderen Punkten auf meiner ToDo-Liste? Ihr verfahrt damit genauso wie mit dem Schreiben:
- Welche Aufgabe erwartet mich?
- Warum habe ich sie bisher noch nicht in Angriff genommen?
- Wie wichtig ist mir die Erledigung dieser Aufgabe?
- Lässt sich die Aufgabe in Teilschritten erledigen?
Was ihr am Ende erhaltet, ist eine Prioritätenliste. Ihr stellt so eine Liste auf, täglich – oft völlig unbewusst, aber sie existiert. Sich dieser Liste bewusst zu machen, ist ein erster Schritt, der Prokrastination entgegen zu wirken.
Freiraum für Kreativität
Wenn ihr jetzt eure Liste mit einem ganz gewöhnlichen Tag abgleicht, werdet ihr wahrscheinlich feststellen, dass ihr nur einen Bruchteil davon erledigt habt. Listen sind etwas wunderbares, der Alltag ist allerdings ein sehr eigenwilliges Wesen! Nicht nur, dass er fleißig neue Punkte auf die Liste setzt, es sind immer auch Pausen dabei. Das sollte ihr beachten und respektieren, darum bürdet euch nicht zu viel auf, sagt auch mal „nein“ und reduziert eure Liste auf max. vier wichtige Aufgaben pro Tag.
Wir sind keine Roboter. Wir brauchen Zeit für Freunde, die Familie, Essen, fürs Duschen, fürs Tagträumen – für viele andere Dinge, die ihr auf keiner Liste findet, aber die ein wichtiger Teil von uns sind. Sie haben immer die höchste Priorität, ein Grund, warum es den perfekten Mensch nicht gibt. Prokrastination begleitet uns ein Leben lang.
Alles was wir – du und ich – daher tun können, ist, unsere produktiven Stunden besser einzuteilen! Werde dir bewusst, was dir wirklich wichtig ist!
Für mich ist Familie wichtiger als Schreiben, Schreiben wichtiger als Staubsaugen … daraus ergibt sich eine Reihenfolge, eine beherrschbare!