Manchmal scheint die Zeit gegen einen zu arbeiten und das, was man am meisten möchte, entfernt sich schneller, als man rennen kann. So geht es mir im Moment mit dem Schreiben! Ich möchte es unbedingt, aber mir bleiben nur wenige Minuten täglich zwischen Arbeiten, Haushalt, Familie und einer Horde Tiere, die alle scheinbar gleichzeitig krank bzw. pflegebedürftig geworden sind.
Mit anderen Worten, das Leben streckt mir gerade die Zunge heraus. Aufgeben?
Ich habe darüber nachgedacht, aber inzwischen sehe ich es eher als Herausforderung.
Schreiben, ein nutzloses Hobby?
Ich schreibe, seitdem ich schreiben kann. Eine Zeitlang war ich der Meinung, ich sollte dieses „nutzlose Hobby“ an den Nagel hängen, aber seit ich wieder dabei bin, nimmt der Schreibzug kontinuierlich Fahrt auf und hat noch lange nicht seine endgültige Reisegeschwindigkeit erreicht. Warum also während der Beschleunigung an der Not-Bremse im Abteil ziehen?
Schreiben ist für mich mehr als nur Abenteuer erleben und in ferne Welten abtauchen. Ich liebe Action und Abenteuer – keine Frage – aber damit Menschen sich in Gefahr begeben und sie überleben, muss die Motivation stimmen. Kein völlig frustrierter Held stellt sich mutig einem Heer entgegen, wenn sein Schwert stumpf, die Geliebte mit einem anderen durchgebrannt ist und er mörderische Kopfschmerzen hat. Oder doch?
Wenn ich eines am Schreiben liebe, dann das „Was-wäre-wenn“-Spiel. Was könnte so einen Menschen überzeugen, letzte Kraftreserven zu opfern und in die Schlacht zu ziehen. Hat er jemand in der Menge der Gegner entdeckt? Weiß er, dass Verstärkung unterwegs ist? Oder will er wenigstens als Held in die Geschichte eingehen, die sonst kein Happy End hätte?
Als Mensch in meinem normalen Alltag scheint es nur geradeaus zu gehen. Ich kann mein Umfeld nur bedingt ändern und die Menschen, die mir etwas bedeuten vielleicht motivieren, manchmal auch frustrieren und selten auch mal verärgern, aber „Was-wäre-wenn“ funktioniert nur selten. Ich versuche es gerne, umstricke sie mit meinen Visionen, bin dann aber doch geerdet genug, um zu begreifen, dass Wunschdenken nicht alles ändern kann.
Erkundungsflug
Schreiben ist und bleibt mein Ausweg, ein Paralleluniversum zu schaffen, in dem alles möglich ist. Lange Zeit hat es mir dabei völlig ausgereicht, mit mir allein zu sein. Niemand musste von meinem zweiten Ich erfahren. Auch jetzt höre ich Stimmen in meinem Kopf, die flüstern, dass es niemanden interessiert oder jeder seine eigene für den anderen unverständliche Welt kreiert – unmöglich, das zu teilen.
Was also hat sich geändert? Bin ich jetzt nach über vierzig Jahren Schreibleidenschaft in einem Alter, in dem mir alles egal ist? Nein. Leider nein. Eher mutig genug zu begreifen, was mich ausmacht und was mir neben meiner Familie das Wichtigste in meinem Leben ist. Doch je mehr ich versuche, anderen diese Seite begreiflich zu machen, desto mehr stoße ich auf Unverständnis. Schreiben ist für viele wie ein Flug zum Mond: Cool, aber was macht man da eigentlich außer in ein Raumschiff zu steigen und sich in den Orbit katapultieren zu lassen?
Für die Website der Schreibgruppe Federreiter musste ich mich das erste mal aus einer anderen Perspektive mit dem Schreiben auseinandersetzen. Ich habe Unmengen von Artikeln und Blogbeiträgen gelesen, tolle Ratgeber gefunden, die mir mit Chance helfen, ein besserer Autor zu werden. Aber diese Artikel haben mir auch vor Augen geführt, wie schwer es ist, aus Träumen Realität werden zu lassen, wie viele Hürden es zu überwinden gibt, wenn man seine Ich-Insel verlassen will.
Ein Gummiboot als Fluchtfahrzeug
Schreiben ist nicht nur ein kreativer Prozess, der erlernbar ist, er macht auch verletzlich und angreifbar. Jedes Wort, jeder Satz kann gegen einen verwendet werden, Helden mit stumpfen Schwertern ausgelacht werden und der Flug zum Mond in der Katastrophe enden. Schreiben ist persönlich. Ein Grund, warum so wenig darüber geredet wird und gleichzeitig der Hauptgrund, warum mehr darüber schreiben sollten!
Als Autor gibt es für mich eine Unmenge von Realitäten, als Mensch aber nur eine, die, in der ich lebe. Diese Realität hat mich vor die Wahl gestellt, auf meiner Ich-Insel zu verkümmern oder endlich mein Gummiboot aufzupusten und loszupaddeln. Ich habe mich für das offene Meer, den Zug, die Enge der Raumfähre entschieden. Meine Motivation ist das große Unbekannte, die Chance, andere wie mich und vor allem viel mehr Land zu finden.
Ich bin unterwegs und wenn ihr mögt, dann begleitet mich ein Stück auf meiner Schreibreise.
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